Godehards Spuren in Europa

Er hinterließ Spuren: Der heilige Godehard wurde schon bald nach seiner Heiligsprechung im Jahr 1131 in weiten Teilen Europas verehrt. Zeugnisse des Hildesheimer Bischofs findet man zwischen Dänemark und Italien.

975 Straßenkilometer südlich von Hildesheim liegt Mailand. Der Mailänder Dom ist eine der größten

Kathedralen der Welt. In ihrem Schatten liegt die Kirche San Gottardo in Corte, was so viel wie „Sankt Godehard im Hof“ bedeutet. Das einschiffige, kürzlich gründlich sanierte Gotteshaus hat klare und lineare Innenräume.  Im Kirchenschiff befindet sich ein Gemälde von Martin Knoller aus dem 18. Jahrhundert auf dem der heilige Godehard verewigt ist. Gebaut wurde die Kirche 1336 von Azzone Visconti. Man vermutet, dass er die Kirche dem Heiligen geweiht hat, weil er an der Gicht litt und Godehard der Schutzpatron der Gichtkranken war.

Mehr als das Kircheninnere ist der imposante Glockenturm von San Gottardo in Corte von Bedeutung, der aus Marmor und Terracotta besteht. Denn im Glockenturm ließ Azzone Visconte eine der ersten Uhren Mailands einbauen. Deshalb nannte man die Straße an der Hofkirche auch Straße der Stunden. Apropos Straßen: In Mailand gibt es auch den Corso San Gottardo, eine nach Süden hinausführende Ausfallstraße. Dort liegt die zweite Godehardkirche der Stadt mit dem schönen Namen San Gottardo al Corso.

Klare Linien, zurückhaltende Farben – so präsentiert sich die Mailänder Kirche San Gottardo in Corte im Innern.

Außen beeindruckt der Glockenturm der Mailänder Kirche San Gottardo aus Terrakotta und Marmor.

400 Kirchen, Klöster, Orte und Statuen

Die beiden Mailänder Gotteshäuser sind zwei von über 400 Kirchen, Kapellen, Klöstern, Burgen, Schlössern, Hospizen, Schulen und Statuen in ganz Europa, deren Namensgebung auf Godehard von Hildesheim zurückgehen.

Im dänischen Hornstrup findet man seinen Namen auf der Glocke der örtlichen Kirche, im ungarischen Siebenbürgen erinnert der Ort „Szentgotthárd“ an den Heiligen. In der Johanneskirche im französischen Dünkirchen befinden sich Reliquien Godehards, das italienische 1500-Seelen- Dorf Mariano del Friuli nahe der slowenischen Grenze erwählte ihn zum Schutzpatron.

Erzbischof Adalbert von Mainz (1111–1137), einst selbst Schüler am Hildesheimer Dom, erbaute im Mainzer Dom eine Godehard-Kapelle. Unter Bischof Mainhard (1122–1134) ist die Gotthardkapelle im Prager Dom entstanden. In Göttingen trägt eine Schule seinen Namen, in Hildesheim mit dem Godehardikamp sogar ein Ortsteil. Die St.-Godehard-Basilika in der Bischofsstadt feiert in diesem Jahr ihr 850. Bestehen (siehe Seite 6). Im 15. und 16. Jahrhundert feierte man den Godeharditag unter anderem in Passau, Lüttich, Köln, Münster, Erfurt, Minden, Ratzeburg, Kamin, Graz, Wien, Krakau, Genua Como und Mailand.

Das Gothardusfest in Gotha ist jedes Jahr ein Volksfest. Auch der heilige Godehard (links) tritt auf.

Ob der Name der thüringischen Stadt Gotha auf den heiligen Godehard zurückgeht, ist nicht eindeutig, auch wenn es die Ähnlichkeit des Namens nahelegt. Fest steht aber: Sankt Gothardus schmückt seit 1250 das Siegel und das Wappen von Gotha und ist Patron der Stadt. Vor 600 Jahren, 1422, wurde in der Stadt erstmals das Gothardusfest gefeiert. Die Tradition wurde in der Nach-Wendezeit wieder aufgegriffen: Vom 22. bis 25. September dieses Jahres begeht Gotha das 24. Gothardusfest der jüngeren Geschichte. Auf dem Programm stehen unteranderem Konzerte, ein Festumzug, buntes Markttreiben, Fahrgeschäfte und ein Feuerwerk.

Ein bekannter Täufling

Die Gotthardkirche in der Stadt Brandenburg wurde Mitte des 12. Jahrhunderts von Prämonstratenser-Chorherren errichtet. Von der Zeit der Reformation bis 1923 beherbergte sie die Bibliothek des ehemaligen Franziskanerklosters vom Salzhof. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Turm des Gotteshauses beschädigt, 1972 verwüstete ein Brand der Orgel weite Teile des Gotteshauses, Anfang der 1990er-Jahre wurde die Kirche saniert. An der Nordseite befindet sich die 1472 vollendete Taufkapelle. In ihr wurde am 30. Dezember 1923 Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot, getauft.

Meisterwerk der Ingenieurskunst

57 Kilometer lang ist der Gotthard-Basistunnel in der Schweiz, er ist der längste Eisenbahntunnel der Welt, ein Meisterwerk der Ingenieurskunst. 17 Jahre wurde an ihm gebaut, im Dezember 2016 wurde er für den Personenverkehr freigegeben. Der Tunnel führt durch das Gotthardmassiv, was wiederum seinen Namen vom Gotthard-Hospiz und von einer Gotthard-Kapelle auf dem Gotthard-Pass hat. Auf der Passhöhe soll schon früh eine Kapelle gestanden haben. Wer sie wann errichtete, ist nicht bekannt. Bei Ausgrabungen im Keller des alten Hospizes fand man ihre Grundmauern, die wenigstens bis in die karolingische Zeit zurückreichen.

Der Mailänder Erzbischof Galdinus soll die Kapelle im Jahre 1230 dem heiligen Godehard geweiht haben. Es gibt aber auch Anhaltspunkte dafür, dass bereits Jahrzehnte vorher Mönche dort eine Kapelle oder Unterkunft unterhielten und ebenfalls den heiligen Godehardus verehrten. Eine italienische Urkunde aus dem Jahr 1293 spricht bereits vom „sci Guthardi“, was darauf hinweist, dass das Bergmassiv seit über 700 Jahren seinen Namen trägt.

Seit Jahrhunderten ist der St.Gotthardpass ein bedeutender Alpenübergang. Nur die wenigsten wissen, dass er den Namen eines Hildesheimer Bischofs trägt.

Er galt als Helfer in vielen Notlagen

Besonders ausgeprägt war die Gotthard-Verehrung in Oberitalien, wo in Städten, Taldörfern, auf Gipfeln und an Verbindungsstraßen Gotthard-Kirchen, -Kapellen, -Klöster und -Statuen errichtet wurden. Noch heute finden sich dort zahlreiche Zeugnisse des Hildesheimer Bischofs.

Dass sich die Godehard- Verehrung nach dem Tod des Heiligen so rasant ausbreitete, kam nicht von ungefähr, wurde er doch bei zahlreichen Nöten angerufen, zum Beispiel bei Fieberkrämpfen, Wassersucht oder schwierigen Geburten. Ihm wurde zugeschrieben, dass er lahme, blinde, stumme und besessene Menschen heilen könne. In Böhmen riefen ihn die Landwirte und Winzer gegen Blitz und Hagel an, in deutschen Landen bei Kinderkrankheiten und Gicht. An den großen Handelsstraßen galt er als himmlischer Beschützer der Kaufleute.

Text: Matthias Bode